Quo vadis Haiti?

19.11.2012

Vortrag von Dr. Rainer Berendes am 19. Nov. 2012 im Clubhotel/Kleedorf

Nur 1 ½ Minuten dauerte das Beben am 12. Januar 2010 um 16:53 (Ortszeit), als zwei Kontinentalplatten tief in der Erde zusammenstießen. Doch für die Menschen auf Haiti, der einstigen Perle der Antillen, bedeutete es brutalen Tod, absolute Zerstörung, dauerhafte Traumatisierung und unvorstellbares Leid. Nahezu 320.000 Menschen verloren durch das Beben und seine Folgen ihr Leben. Allein dieser Todeszoll entspricht fast der doppelten Bevölkerung des Landkreises Nürnberger Land (ca. 170.000 Einwohner). Über 310.000 weitere Personen wurden verletzt und schätzungsweise 1,85 Millionen Menschen obdachlos. Insgesamt sind etwa 3,2 Millionen Menschen, das heißt ein Drittel der Bevölkerung Haitis, von der Naturkatastrophe betroffen. Nichts und niemand wurden verschont: Seien es Säuglinge, junge oder alte Männer und Frauen, seien es Lehrer, Polizisten, Regierungsmitglieder, Ärzte und Krankenhauspersonal, Studenten oder Professoren, Landarbeiter, Taxifahrer, Soldaten, kranke oder gesunde Menschen. Gebäude und Infrastruktur brachen zusammen und konnten nicht mehr oder nur sehr begrenzt genutzt werden. Unser Planet Erde hatte uns auf übelste Weise gezeigt, wie zerbrechlich der Mensch und seine Werke letztendlich sind.

Was in den Tagen, Wochen und Monaten nach dem Beben geschah, darüber berichtete Dr. Rainer Berendes vor einigen Tagen im Rahmen eines Clubabends des Lions Club Hersbruck. Er stammt aus Neukirchen (bei Sulzbach), ist ein Studienkollege unseres LF Dr. Johannes Seitz und ist heute Oberarzt an der Kinderklinik in Landshut. "Ich bin gesund, ich kann helfen, ich habe schon als Rettungsarzt gearbeitet und habe Auslandserfahrung". So begab er sich vollkommen selbstlos und bereit, unter unglaublich einfachen Umständen zu leben und zu arbeiten, direkt nach Port-au-Prince auf Haiti, um dort den Menschen unbürokratisch und direkt zu helfen.

In seinem mit vielen Fotos und Videos gestalteten Vortrag schilderte er die dramatischen Zustände und das unvorstellbare körperliche und seelische Leiden der Menschen. Was ihn aufrecht hielt, war der Rückhalt und die Gedanken an seine eigene Familie. Was ihn tagtäglich motivierte, waren die Haitianer selbst, die das Leid trotz allem würdevoll ertrugen und nicht verzagten. Denn während des Vortrags wurden nicht nur Aufnahmen mit tragischen Inhalt gezeigt, sondern auch Fotos von Patienten mit frohen, dankbaren und lächelnden Gesichtern. Die Patienten selbst haben ihm mehr Kraft mit nach Hause mitgegeben, als er für den Einsatz benötigte. "Ich bin reich beschenkt wieder nach Hause gekommen", das war das rückblickende Fazit zu diesem Einsatz.

Als hätten die Natur und die Ereignisse den Menschen in Haiti aber noch nicht genug zugesetzt, breitete sich Ende 2010 die Cholera aus. 450.000 Haitianer wurden infiziert. Es handelte sich um die größte Choleraepidemie, die die Welt bisher gesehen hat. Auch der Wirbelsturm Sandy, der erst vor wenigen Wochen in New York großen Schaden anrichtete, ließ zuvor Haiti nicht aus und verwüstete dort 80% der Jahresernte. Doch davon war in den Medien kaum zu hören und zu sehen.

Quo vadis Haiti? Wohin gehst Du? Diese Frage steht immer noch im Raum. Was in Haiti zweifelsohne weitergegangen ist, darauf hatte Dr. Berendes eine Antwort: "Das Leben!" und ergänzte: "Ein bisschen von der Lebenseinstellung der Haitianer hier in Europa wäre ein Traum."

Dr. Berendes ist ehrenamtlich arbeitender Arzt bei der humedica e.V. aus Kaufbeuren. Auf der Website www.humedica.org ist zu lesen: "… Wir sind eine internationale Gemeinschaft von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern, Spendern und Förderern, die sich durch ihre Mittel, Fähigkeiten und Gaben in den Dienst der Hilfe für Menschen stellt, die durch Katastrophen oder strukturelle Armut in Not geraten sind. Wir verstehen uns dabei als Vermittler zwischen den Betroffenen und hilfsbereiten Menschen und Institutionen, indem wir auf konkrete Notlagen aufmerksam machen, Ressourcen mobilisieren und effektive sowie effiziente Hilfe leisten. […] Im Katastrophenfall zählt jede Sekunde und schnelles Reagieren kann über Leben und Tod entscheiden. Die ehrenamtlichen humedica-Ärzteteams sind dafür bekannt, zu den ersten Einsatzkräften im Krisengebiet zu gehören. Gut vorbereitet und äußerst motiviert werden die medizinischen Kräfte bei jedem Einsatz mit neuen Herausforderungen konfrontiert."

Diese Beschreibung trifft voll und ganz auf die Person von Dr. Berendes und dessen Arbeit zu. Er und die humedica verdienen unseren höchsten Respekt. Sowohl der Lions Club als auch weitere Privatpersonen haben in Anerkennung der Leistungen und Förderung der humedica größere Spenden geleistet.

Vortrag Haiti
Vortrag Haiti
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